Wie wäre es am heutigen Sammel-Festtag mit einer besonderen Art von Heiligenverehrung? Zum Beispiel mit ein wenig Lesen und Nachdenken über die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede in den beiden folgenden Lektüreempfehlungen?
Im ersten Text wendet sich
Claret de la Touche, eine im Kloster lebende Ordensfrau, am Allerheiligenfest des Jahres 1899 an ihre Mitschwestern. Ihre Worte sind geprägt durch die Überzeugung:
Das Reich Gottes beginnt in der friedliebenden Seele.„Klar erkannte ich, daß Gott nie seine Freude haben kann an der eitlen Betriebsamkeit der Menschen. Er wohnt im Frieden und in der Fülle seines göttlichen Seins. Er findet seine Wonne in der unbeschreiblichen Ruhe seiner selbst.
Aus der Fülle der Vollkommenheit, die er besitzt, folgen jedoch weder träge Unbeweglichkeit noch säumige Schläfrigkeit, sondern lebensvolle, tätige Ruhe.
Welch ein Unterschied zwischen der Tätigkeit Gottes und dem geräuschvollen Tun der Menschen!
Die Welt ist immer in fiebernder Hast, gejagt von ständiger Unruhe, weil der Geist Gottes von ihr gewichen ist.
Gott kann nicht seinen so gnadenvollen dauernden Aufenthalt in einer Seele nehmen, wenn er dort nicht den Frieden findet. Die Seele muß sich also mit allem Ernst um eine unerschütterliche Ruhe bemühen durch die Beherrschung aller Leidenschaften… Dann wird das Fundament der Tugenden sich mehr und mehr festigen und vertiefen, besonders jener, die in reicherer Fülle den Frieden vermitteln, wie z. B. den Gleichmut, der Hingabe an Gottes Willen, dem Vertrauen usw.
Ist die Seele so bereitet, dann kann Gott zu ihr kommen. Zu diesen anfänglichen, durch eigenes Bemühen sich erworbenen Frieden fügt Gott dann einen neuen, tieferen, seinen eigenen Frieden: einen Frieden, der alles Begreifen übersteigt; denn er ist das Reich Gottes in der Seele.“Fast auf den Tag genau 120 Jahre danach, am Wolfgangsfest 2019, wendet sich im zweiten Text
Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg
an die Brüder und Schwestern in seiner Diözese. Seine Worte sind geprägt durch die Überzeugung:
Das Reich Gottes wird verkündet von Menschen, die erfüllt sind von der Hoffnung auf eine größere, alles Innerweltliche übersteigende Wahrheit.Hier der Link zur
Wolfgangpredigt 2019
auf der Website des Bistums Regensburg.
Beide Texte eint die Überzeugung
„Gott ist auch der ganz Andere“
– eine Erfahrung, die Claret de la Touche so ausdrückt:
„Jesus Christus ist der Unbekannte von heute, der Verfolgte von gestern, der Gekreuzigte vielleicht von morgen, ist trotzdem der gewaltige Beherrscher der Welt, der göttliche Angelpunkt, der die Bewegung aller Dinge leitet.“